Bundesentlastungen an Kommunen weiterleiten

2016 beschloss der Bund, die Kommunen mit 5 Milliarden Euro zu entlasten. Eine Milliarde Euro wurde über Umsatzsteueranteile an die Länder mit der Maßgabe augereicht, diese an die Kommunen weiterzuleiten. Auf Sachsen-Anhalt entfielen davon 27,5 Millionen Euro. Die Mittel wurden nicht an die Kommunen weitergeleitet.

In unserem Antrag fordern wir die Landesregierung dazu auf, diese Mittel vollständig an die Kommunen weiterzuleiten.

Antrag "Bundesentlastungen vollständig weiterleiten", Drs. 7/2515 vom 28.02.2018

Bereits in ihrer Antwort auf meine kleine Anfrage hatte die Landesregierung eingeräumt, dass die Mittel im Landeshaushalt vereinnahmt wurde. Eine Weitergabe an die Kommunen sei nicht vorgesehen.

Der Antrag wurde in den Ausschuss für Finanzen und den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen.

 

Rede zur Einbringung des Antrages

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Ich freue mich immer, wenn Mitglieder der Landesregierung in sozialen Netzwerken über ihre Arbeit berichten. Gestern war es wieder soweit. Finanzminister Schröder verkündete über Twitter die freudige Botschaft des Statistischen Landesamtes, dass die Gesamtverschuldung der kommunalen Haushalte im Jahr 2016 auf 3 521 € je Einwohner gesunken ist. (Vereinzelt Zustimmung bei der CDU - Jens Kolze, CDU: Das ist doch was!)

- Das ist in der Tat eine erfreuliche Nachricht. Doch bei aller Freude kommen wir nicht umhin, die Zahlen genauer zu betrachten, um ein realistisches Gesamtbild von der kommunalen Finanzsituation zu bekommen. Wenn wir das konsequent tun, wird der Handlungsbedarf offenkundig, und Sie werden erkennen, dass unser Antrag bei aller Freude über die sich entspannende Finanzsituation der kommunalen Gruppe seine Berechtigung hat.

Die von mir nachfolgend genannten Daten sind Betrachtungen der kommunalen Kernhaushalte, die sich aus den Angaben des Finanzministeriums auf meine Kleinen Anfragen im vergangenen Jahr ergeben bzw. sie ergeben sich aus dem Finanzreport der Bertelsmann-Stiftung. Zunächst kann ich bestätigen, dass die sogenannten Kreditverbindlichkeiten der kommunalen Kernhaushalte gesunken sind. Dank des Stark-II-Programms konnten die Schulden hier auf 729 € je Einwohner zurückgeführt werden. (Minister André Schröder: Hört, hört!)

Anzumerken ist allerdings, dass die Regelungen des Programms von den teilnehmenden Kommunen erhebliche Anstrengungen abfordern und dass die Liquidität einiger Kommunen darunter leidet. So verwundert es nicht, dass sich die betroffenen Städte und Gemeinden dann in den Liquiditätskredit flüchten. Bei den Liquiditätskrediten ist die Situation alles andere als erfreulich. Hier betrug die Verschuldung je Einwohner 591 €. Damit nimmt Sachsen-Anhalt in der Vergleichsgruppe der ostdeutschen Flächenländer einen unrühmlichen Spitzenplatz ein.

Die Ursachen liegen auf der Hand. Die von der Vorgängerregierung vorgenommenen Kürzungen im Bereich des Finanzausgleichsgesetzes hatten das erklärte Ziel, den Landeshaushalt auf Kosten der Kommunen zu sanieren. Der Landeshaushalt ohne neue Schulden in diesem Zeitraum wurde mit Liquiditätskrediten der Kommunen erkauft. Schon dieser Umstand macht deutlich, dass unser Antrag die für die Kommunen vorgesehenen Entlastungen des Bundes vollständig an die Städte und Gemeinden weiterzuleiten, seine Berechtigung hat. (Beifall bei der LINKEN)

Aber betrachten wir die Liquiditätskredite etwas genauer. Im Zeitraum 2012 bis 2016 stiegen sie um 400 Millionen € an. Doch dieser Anstieg verteilt sich sehr unterschiedlich auf die kommunalen Gruppen. Während die Landkreise in diesem Zeitraum einen Anstieg von 42 Millionen € verzeichneten, mussten die kreisangehörigen Gemeinden einen Anstieg von 312 Millionen € hinnehmen. Auch im Haushaltsjahr 2016, in welchem sich der Kurswechsel hin zu einem neuen Finanzausgleichsgesetz erstmals in den kommunalen Haushalten auswirkte, kann man noch nicht behaupten, dass Sachsen-Anhalt aus der Problemzone raus sei.

Zwar betrug der bereinigte Finanzierungssaldo über alle kommunalen Gruppen hinweg beachtliche 106 Millionen €. Zwar stiegen die Bankguthaben der Kommunen auf beachtliche 633 Millionen € und die ordentlichen Kredite der Kernhaushalte konnten im Jahr 2016 um 124 Millionen € zurückgeführt werden. Doch es ist verfrüht, davon zu sprechen, dass alles gut sei.

Auch die erfreulichen Anstiege bei den Steuereinnahmen müssen differenziert betrachtet werden. Im Zeitraum von 2005 bis 2015 sind die Steuereinnahmen unserer Gemeinden kräftig gewachsen, immerhin um 62 %. Wenn man aber weiß, dass der Anstieg in den ostdeutschen Flächenländern im Durchschnitt 79 % betrug, dann stellt die Zahl mehr eine Herausforderung als eine Erfolgsmeldung dar.

Insgesamt ist und bleibt die kommunale Finanzsituation bundesweit angespannt. Ja, es gibt reiche Gemeinden in reichen Bundesländern. Es gibt aber eben auch arme Gemeinden in armen Regionen. Davon haben wir in Sachsen-Anhalt eine ganze Menge.

Die Ursachen sind vielschichtig. Die wichtigste mag der seit 28 Jahren andauernde Strukturwandel mit seinen demografischen Problemen hier in Sachsen-Anhalt sein. Unstreitig ist aber auch, dass eine wesentliche Ursache der speziellen Situation in Sachsen-Anhalt in der Politik der verflossenen Landesregierung liegt.

Im Jahr 2010 hatte Prof. Deubel in dem von ihm erstellten Gutachten zwei wesentliche Stellschrauben der Haushaltskonsolidierung ausgemacht: Personal und Kommunen. In den folgenden Jahren wurden die Zuweisungen an die Kommunen erheblich gekürzt. Die Ergebnisse dieser Kürzungen können heute in Form der Höhe der Liquiditätskredite betrachtet werden. Die Ursache für diese spezielle Entwicklung liegt somit in der Landespolitik. Der Schlüssel zur Lösung der Probleme kann damit auch nur beim Land liegen.

Unstreitig ist daneben auch, dass die Kommunen bei der gesamtstaatlichen Verteilung der Einnahmen deutlich benachteiligt sind. Umso erfreulicher ist es, dass der Bund diesen Handlungsbedarf erkannt hat und in der letzten Legislaturperiode ein Entlastungspaket in Höhe von 5 Milliarden € geschnürt hat. 2016, also ziemlich am Ende der Wahlperiode, war es dann soweit: Ab dem Jahr 2018 sollen die 5 Milliarden € vollständig zur Verfügung stehen.

Man fragt sich, warum das so lange gedauert hat. Ursprünglich sollte ein wesentlicher Teil der Entlastung des Bundes durch die Übernahme der Kosten der Eingliederungshilfe verwirklicht werden. Davon nahm die Bundesregierung jedoch Abstand, weil die Eingliederungshilfe zum einen nicht in allen Bundesländern eine kommunale Aufgabe ist und weil sich die Eingliederungshilfe zum anderen wegen ihrer Struktur als ungeeignet erwies, bei der gewünschten Entlastung die vorgesehene Verteilungsstruktur zu erreichen. Die Eingliederungshilfe als Entlastungsmaßstab war also ziemlich schnell vom Tisch. Nur in Sachsen-Anhalt, wo die Eingliederungshilfe bekanntermaßen durch das Land abgewickelt wird, ist diese Botschaft nicht angekommen.

Egal, wie der Finanzminister heißt, ob Bullerjahn oder Schröder, in einem sind sie sich beide einig: Sie wollen nichts davon wissen, dass die Eingliederungshilfe nicht mehr Maßstab der Bundesentlastung ist, ja, dort zum Schluss nicht einmal mehr Thema war. Vielmehr stellte der Bundestag im Entschließungsantrag in Drs. 18/10397 klar, dass die Entlastungen ab dem Jahr 2018 in vollem Umfang in den Kommunen ankommen sollen. Wenn sich das noch nicht bis zu Finanzminister Schröder herumgesprochen haben sollte, dann empfehle ich ihm, einmal seinen Chef zu fragen. Der müsste es auf jeden Fall wissen. Herr Ministerpräsident Haseloff wohnte jener Pressekonferenz am 16. Juni 2016 bei, bei der Bundeskanzlerin Merkel sagte - Zitat  : „Diese 1 Milliarde €, die über die Umsatzsteueranteile der Länder gehen, sollen nicht in den Länderhaushalten bleiben, sondern haben das Ziel, über die Länder im Rahmen ihrer kommunalen Finanzausgleichsysteme weitergegeben zu werden.“

Ganz klar also: Die auf Sachsen-Anhalt entfallenden 27,5 Millionen € sollten ab diesem Jahr zusätzlich in die Kommunen fließen, um dort weitere Entlastungswirkungen zu entfalten. Für Sachsen-Anhalt lässt sich feststellen, dass es in diesem Jahr keinen Aufwuchs gab. Stattdessen tischte mir der Finanzminister in seiner Antwort auf meine Kleine Anfrage wieder die Geschichte von der Eingliederungshilfe auf und natürlich die Erzählung, dass die Kommunen seit dem Jahr 2017 deutlich mehr Geld bekämen und nun auch mal Schluss sein müsse. (Siegfried Borgwardt, CDU: Mann, Mann, Mann!) Also: Das mit dem mehr Geld gehört in den Bereich der Legendenbildung. (Siegfried Borgwardt, CDU: Was?) Die Kommunen haben nur das wiederbekommen, was ihnen zwecks Sanierung des Landeshaushaltes in den Jahren 2012 bis 2015 gestrichen worden ist. (Beifall bei der LINKEN)

Sie lächeln, Herr Finanzminister. Wir können ja einmal die Genese des FAG durchgehen. Dann werden Sie die Summe, die jetzt in die Kommunen fließt, zum letzten Mal im Jahr 2008 entdecken. Ihre Heldentat hieß nicht, den Kommunen mehr Geld zu geben, sondern ihnen endlich das wiedergegeben zu haben, was sie für ihre Arbeit benötigen. Meine Eingangsbemerkungen haben aber verdeutlicht, dass damit aber noch längst nicht alle Probleme gelöst sind. Ohne Handeln des Landesgesetzgebers und der Landesregierung wird die Lage bei den Liquiditätskrediten nicht zu lösen sein. Ich muss nicht extra erwähnen, dass meine Fraktion den von Ihnen favorisierten Weg über die KVG-Novelle für falsch hält. Dazu habe ich gestern ausgeführt.

Unser Antrag ist bewusst offen formuliert. Uns kommt es darauf an, dass die Bundesmittel in den Kommunen ankommen. Vielleicht bieten diese 27,5 Millionen € den Einstieg in ein Konsolidierungshilfeprogramm, das den Abbau der Liquiditätskredite ermöglicht. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass Sie unserem Antrag zustimmen, wofür ich hier ausdrücklich werbe. - Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN)


Erwiderung auf die Antragsdebatte

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Szarata, Sie sind noch jung. Jetzt stellen wir uns einmal die Frage: Wer hat es denn gemacht? Wer hat denn die Kürzungen im kommunalen Bereich vorgenommen? (Beifall bei der LINKEN)

Sie schauen immer mal zur SPD. Ja, die haben das auch favorisiert. Aber die Fraktion, die hier sitzt, war schon immer sehr groß, und sie hat immer die Hände gehoben, wenn es um das Kürzen ging. (Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der CDU) Und als es nicht mehr anders ging, als Ihre Fraktion dann nicht mehr so groß war, ging es auch einmal anders herum.

Wider besseres Wissen haben wir einen Antrag gestellt. Lesen Sie einmal unseren Antrag! Wir haben bereits in der Begründung schriftlich das widerlegt, was der Herr Finanzminister in seiner Antwort aufgeschrieben hat. Welche Autorität soll ich denn einem jungen CDU-Abgeordneten noch bieten als Frau Merkel, die klar und eindeutig gesagt hat, wofür das Geld ist? Sie nennen mir nachher die Autorität?
Herr Szarata, die Geschichte mit der Eingliederungshilfe ist ein Märchen. Nach kurzer Zeit hat die Berliner Koalition erkannt, dass die Eingliederungshilfe aufgrund der Vielzahl von Regelungen in den einzelnen Bundesländern, auch aufgrund der Vielzahl von Betroffenen, die ich nicht statistisch vergleichen lassen kann, kein Maßstab für eine kommunale Entlastung sein kann. Danach hat man nach anderen Maßstäben gesucht. Eingliederungshilfe war seit 2014 vom Tisch. (Beifall bei der LINKEN)

Fragen Sie doch in der CDU einen Ihrer ehemaligen Staatssekretäre. Einer von ihnen hat damals sehr ausführlich dargelegt, warum Eingliederungshilfe kein Maßstab sein kann, und Sie wissen es auch, Herr Schröder. Aber Sie halten daran fest, weil Sie diese 27,5 Millionen €, die für die Kommunen vorgesehen waren (Minister André Schröder: 182 Millionen €, siebenmal mehr, als Sie fordern!) Siebenmal mehr als gefordert. - Nein, Herr Finanzminister, die 1,6 Milliarden € sind die Summe, die die Kommunen seit Jahren brauchen und die sie seit Jahren nicht bekommen haben. (Minister André Schröder: 1,628 Millionen €!) Tun Sie doch nicht so generös, als hätten Sie denen irgendetwas geschenkt! Sie haben denen lediglich das gegeben, was ihnen zusteht. Beifall bei der LINKEN - Minister André Schröder: Das ist doch schon was!)
Wenn Sie vorhin sagten, in Sachsen-Anhalt habe es in den Jahren 2008 bis 2016 eine Entwicklung bei den Einnahmen gegeben, dann vergessen Sie dabei die Entwicklung bei den Ausgaben.

Dann gibt es einen Punkt, den tatsächlich die CDU zu verantworten hat. Die Steigerung der Steuereinnahmen gibt es in Sachsen-Anhalt; das ist richtig. Diese und auch unsere wirtschaftliche Entwicklung hinken aber hinter der in den neuen Bundesländern und im gesamten Bundesgebiet seit Jahren hinterher. Das heißt, die Kommunen müssen zwar die Kosten aufwenden, haben aber nicht die gleiche Einnahmesteigerung. (Beifall bei der LINKEN)

Auch das, Herr Szarata, hat die CDU gemacht. (Minister André Schröder: Sie profitieren aber von den Gemeindesteuern!)

Natürlich, auch über den Länderfinanzausgleich. Deswegen sagen wir auch immer, wir wollen ein Ausgleichssystem, das sozusagen einnahmesolidarisch ist, statt Ihres fixierten Systems. Die Kritik kennen Sie. Aber meine Redezeit ist um. - Meine Damen, meine Herren! Ich freue mich auf die Ausschussberatung. Dort können wir uns auch darüber unterhalten, woher das Geld kommt. Ich habe gestern schon mal hier gestanden und habe Ihnen knapp eine Milliarde hoch- und runtergerechnet aus dem Haushalt. Das können wir dann gern noch mal machen, lieber Herr Meister. Ich freue mich auf die Ausschussberatung. - Vielen Dank.