Flaggenhissen und Grußworte

Eröffnung der CSD-Wochen in Magdeburg

Seit Freitag wehen vor dem Magdeburger Rathaus wieder die Regenbogenfahnen. Sie weisen auf die CSD-Wochen hin, die traditionell mit dem Flaggenhissen beginnt und am 25. August mit Demonstration und Straßenfest auf dem Alten Markt ihren Höhepunkt und Abschluss finden.

Organisiert wird der Magdeburger pride vom CSD Magdeburg e.V., der seit 2011, vorwiegend im Ehrenamt, diesen jährlichen Höhepunkt vorbereitet. Und all denen, die bei „CSD“ nur an bunte Party denken, sei gesagt, der Magdeburger CSD ist auch politisch. Zwei Wochen sind gut gefüllt mit Information, Diskussion und Öffentlichkeitsarbeit zu Themen der LSBTI* Gemeinde. Mehr zu den Veranstaltungen auf der Webseite des Vereins oder dessen facebook-Profil.

Als hallescher Abgeordneter war es mir immer wichtig, auch den CSD in Magdeburg zu unterstützen. Zum Aufziehen der Regenbogenfahnen mit anschließendem Empfang im Rathaus, waren auch dieses Jahr zahlreiche Gäste aus der Politik gekommen. Bundestags- und Landtagsabgeordnete und zahlreiche Stadträte von CDU, SPD, Bündnis90/Grüne und FDP waren ebenso vertreten, wie die Ministerin für Gleichstellung und der Oberbürgermeister. DIE LINKE war mit Landtagsabgeordneten, Stadträten und zahlreichen Mitgliedern des Stadtverbandes dabei. Sie alle waren auch gekommen, um den Machern des CSD ihren Respekt und ihre Verbundenheit auszudrücken.

Dr. Lutz Trümper, der in der Vergangenheit der Veranstaltung eher reserviert gegenüberstand, war bei der Begrüßung ganz Oberbürgermeister der Landeshauptstadt. Für ihn sei die Veranstaltung und ihr Anliegen wichtig. Viel sei erreicht worden. Gerade in der jungen Generation, so sein Eindruck, sei Vielfalt selbstverständlich und Akzeptanz erreicht worden. Einige Probleme sehe er noch bei älteren Menschen, hier sei das Werben um Akzeptanz noch stärker von Nöten. Er mahnte, dass es notwendig und richtig sei, andere Sichtweisen und Meinungen im Rahmen des Vertretbaren zuzulassen und zu akzeptieren. Auch wenn ich denke, er irrt, wenn er meint, Homophobie und Intoleranz sei ein Generationenproblem, das Grußwort war ein kleiner Schritt für die Menschheit aber ein großer für Lutz Trümper.

In Bezug auf die Gleichstellung von LSBTI* in Sachsen-Anhalt, ist für Anne-Marie Keding das Glas dreiviertelvoll. Die Ministerin für Justiz und Gleichstellung hat in diesem Jahr gemeinsam mit dem Direktor der Leibnitz-Gemeinschaftsschule Roman Schöpp die Schirmherrschaft über den CSD übernommen. Im Mittelpunkt des Grußwortes der Ministerin standen die Erfolge der letzten Jahre, viel sei erreicht worden in Sachen Akzeptanz. Der Ausblick auf Kommendes blieb allerding im vagen. Klar, sollte die Ministerin aus der CDU etwa berichten, dass die im Koalitionsvertrag verankerte Ergänzung der Landesverfassung um das Merkmal der sexuellen Identität wegen fehlender Zustimmung von Teilen der CDU extrem gefährdet ist? Es war ein Grußwort zum Wohlfühlen, das etliches vor der Klammer ließ. Am 23. August will sich die Ministerin in einer Podiumsdiskussion dem Thema Verfassungsänderung stellen. Ich bin gespannt auf diese Diskussion.

Positives aus seinem Schulalltag berichten konnte Roman Schöpp in seinem Grußwort. In seiner Schule ist das Thema präsent und werde von Lehrern und Schülern mit großer Offenheit angegangen. Ein Umstand, der nicht hoch genug zu schätzen ist, beginnt Akzeptanz doch immer mit Wissen. Leider hängt der Umgang mit dem Thema sexuelle Vielfalt in Schulen stark vom Engagement der Akteure vor Ort ab und den Ressourcen die das Land bereitstellt. Auch hier liegt das Problem im Land, das Interesse des Bildungsministeriums an diesen Themen ist rudimentär ausgeprägt.

Das es doch nicht so unproblematisch ist, wie es aussieht, machte der Vertreter des LSVD in seinem Beitrag deutlich. So wurden doch noch angesprochen, was bisher fehlte. Die ausstehende Verfassungsänderung, die Probleme die LSBTI*-Paare haben, wenn Kinder da sind und die Rechtsfragen um die Adoption ungeklärt sind. Auch die Diskriminierung von LSBTI* Menschen, die nicht in großen Städten wohnen oder das Glück haben, in eine Schule zu gehen, die sich Toleranz auf die Fahnen geschrieben hat.

Ja, da ist noch viel zu tun. Und um zu belegen, dass das Eis der Akzeptanz ein dünnes ist, muss man nicht die Ausfälle von AfD-Abgeordneten zitieren, die es gut fänden, wenn Schwulsein wieder bestraft wird. Da muss man nicht die erwähnen, die jede Form der Vermittlung von Vielfalt als „Frühsexualisierung“ brandmarken und im Namen der Einfalt ein Ende des „Genderwahns“ fordern, der mutmaßlich nur in ihren Köpfen existiert.

Ab und zu bricht jenes Eis auch, wenn „gute Bürger“ in Redaktionsstuben versuchen, der Welt zu erklären, dass mal gut sein muss mit dem Ganzen. So neulich geschehen bei der Volksstimme, einer sächsisch-anhalter Lokalzeitung. Mit dem Habitus des mittelmäßigen Lokalredakteurs, der versucht witzig zu sein, zog deren Chefredakteur Alois Kösters Parallelen von der unentgeltlichen AIDS-Prävention zur kostenlosen Ausgabe von Fahrradhelmen zur Unfallvermeidung.

Bundesgesundheitsminister Spahn hatte angekündigt, dass die Krankenkassen künftig die Kosten für die Präexpositions-Prophylaxe (PrEP) übernehmen sollen. Die Zahl der HIV-Neuinfektionen in Deutschland lag laut Robert-Koch-Institut 2016 bei 3.100. Der größte Teil dieser Neuinfektionen entfällt auf Männer, die Sex mit Männern haben. Doch sind hier die Neuinfektionen rückläufig, was auf verbesserte Testangebot und Testbereitschaft sowie erfolgreiche Therapiemethoden zurückgeführt wird. Sowohl beim Infektionsweg des intravenösen Drogenkonsums als auch bei der Übertragung von Heterosexuellen ist eine leichte Zunahme zu verzeichnen. Bei circa 11.700 Menschen, die sich mit HIV infiziert haben, wurde die Infektion noch nicht diagnostiziert, was für die weitere Ausbreitung der Krankheit problematisch angesehen wird. In Deutschland leben nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts 88.400 Menschen mit HIV/AIDS, fast 30.000 Menschen verstarben an dieser Krankheit. Weltweit geht man von 36,7 Millionen Infizierten aus.
Grund genug die Anstrengungen von Aufklärung und Prävention zu verstärken. Gelingt es heute auch, mit Medikamenten die Auswirkungen der Erkrankung einzudämmen und dem Infizierten ein nahezu beeinträchtigungsfreies Leben zu ermöglichen, bleibt doch festzuhalten, die Behandlung ist aufwendig und teuer. Ein weiteres Argument für die Prävention.
Doch was tut der Volksstimme-Redakteur? In seinem vermeintlich launigen Kommentar, stellt er HIV-Infizierte und Risikogruppen in die „schwule Ecke“ und erklärt es zu Randgruppenproblem. Ja mehr noch, er mutmaßt, scheinbar frei von Wissen, dass die vom Bundesgesundheitsministerin Aussicht gestellte Kostenfreiheit auf dessen sexuelle Orientierung zurückzuführen sei und der Bedienung eines ihm nahestehenden Klientels diene.

Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, das gilt besonders für die Pressefreiheit. Kösters Kommentar könnte als Beleg dafür dienen, dass Meinungsfreiheit nicht nur heißt, dass man sagen kann was man denkt, sondern dass man nicht einmal denken muss was man sagt. Kommt solch Unfug allerding aus der Chefredaktion einer Regionalzeitung, dann steckt da wohl auch der wohlkalkulierte Versuch dahinter, mit homophoben Ressentiments Geld zu verdienen und bei jenen bigotten Bürgern zu punkten, die zähneknirschend den „Vielfaltszirkus“ ertragen, um bei jeder Gelegenheit zu rufen, „das mit den Homosexuellen ist ja gut, aber irgendwo ist Schluss mit Schwulsein…“.

Das macht deutlich, der Kampf um Gleichstellung und Akzeptanz darf sich nicht auf formale Rechte und Paragraphen beschränken. Die sind Voraussetzung, nicht Ziel von Selbstbestimmung und Vielfalt. Deshalb bleibt der CSD politisch und es gibt jenseits der Grußworte um die erzielten Erfolge noch viel zu tun.